Mietwohnung, 12 Uhr. «Mama, ich übe noch Geige bis das Mittagessen fertig ist», sagt Sofie und verschwindet in ihrem Zimmer. Nach ein paar Violinenklängen ist die Mutter beim Kind und erklärt ihm, dass über Mittag die Ruhezeit einzuhalten ist.
Also übt das Mädchen nach Schulschluss um 16 Uhr. Kaum hat sie den Bogen angesetzt, klopft es an die Wand und eine Nachbarin dreht ihre Musikanlage auf. Verschiedene Bedürfnisse prallen aufeinander: Da ist der Wunsch, sich kreativ zu betätigen oder sich durch Musik zu entspannen und dort der Wunsch nach Ruhe und Autonomie.
Auch wenn Sofies Geschichte erfunden ist, zeigt sie doch, wie es in Mietwohnungen für (junge) Musiker*innen sein kann.
Recht und laut
Das Zusammenleben ist mit Spannungen verbunden. Hausordnungen sind ein Versuch, diesen vorzubeugen. Das gilt auch für Gesetze, die das Leben in einer Gesellschaft ordnen sollen. Der Mieter müsse auf Hausbewohner und Nachbarn Rücksicht nehmen, heisst es etwa im Obligationenrecht (Art. 257f). Konkreter ist die Regelung über die Ruhezeit, wie sie oftmals in Gemeinde- oder Polizeiverordnungen zu finden ist. In der Regel gilt sie über Mittag (12 bis 13 Uhr) und abends ab 20 Uhr, die Nachtruhe ist von 22 Uhr bis 7 oder 8 Uhr angesetzt. An Sonn- und Feiertagen soll Lärm generell vermieden werden.
Bis 20 Uhr, wenn Fenster zu
Sofies Familie möchte vermeiden, dass ihre Tochter wegen der nachbarschaftlichen Reaktionen mit dem Geigenspiel aufhören könnte. Denn Musizieren gehört zum Recht, die Persönlichkeit zu entfalten. Was also soll die Familie beachten?
Musiziert werden darf in der Regel bis 20 Uhr, und zwar bei geschlossenen Fenstern. Ausserhalb der Ruhezeiten dürfe man in einer Mietwohnung zwei bis drei Stunden pro Tag üben, schreibt der Mieterinnen- und Mieterverband auf seiner Website. Nicht erlaubt seien jedoch sehr laute Instrumente wie Schlagzeug oder Trompete.
Rechtlich gesehen kann also in einer Mietwohnung geübt werden, verlangt wird Rücksichtnahme. Die folgenden Tipps teils mit einem Augenzwinkern versehen.
- Blechbläser stecken einen Schalldämpfer in den Trichter, so kommt fast kein Ton mehr durch. Nimm es sportlich: Du trainierst, denn durch den Widerstand braucht es mehr Anblasdruck.
- Sie wissen um Ihre Rechte, sprechen Sie mit dem Nachbarn. Zeigen Sie Verständnis für ihn, stehen Sie aber auch für Ihr Kind und das Musizieren ein. Wie still wäre eine Welt, wenn niemand mehr singen und spielen würde?
- Wenn es der Sache dient, vereinbaren Sie ein Zeitfenster, in dem das Kind üben kann ohne dass die Nachbarin an die Wand klopft. Achten Sie darauf, den Rahmen weit genug zu stellen z.B. von 14 bis 19 Uhr, dafür werde auf das Musizieren am Morgen verzichtet.
- Halten Sie für möglich, dass der eigentliche Grund des Ärgers ganz woanders liegt (Belastung in der Arbeit, in Beziehungen etc.).
- Weil Meister nicht vom Himmel fallen, stolpert halt auch mal ein Engel auf der (schiefen) Tonleiter. Gut Ding will Weile haben - beim (ganz) jungen Mozart hat es wohl ähnlich geklungen.
- Ermutigen Sie Ihr Kind Musik zu machen und kreativ zu sein. Zeigen Sie ihm auf, dass auch leise zu spielen eine Fertigkeit ist. Vielleicht gibt es in der Nähe einen Proberaum, den das Kind mitbenutzen darf, um auch das «Forte», also das laute Spiel, zu üben.
- Schreiben Sie zu Weihnachten eine Karte, in der sie auch gleich die Zeit für das gratis Weihnachtskonzert bekanntgeben.
- Finden Sie das Geburtsdatum ihres Nachbarn heraus und lassen Sie ein selbstgeblasenes,
-gezupftes oder -geklimpertes «Happy Birthday» erklingen. - Seien Sie sich gewiss, dass auf die Phase der einzelnen Töne, eine Phase von «Alle meine Entchen» oder auch eine «Ode an die Freude» und irgendwann eine Sonaten-Phase folgt. Das Spiel des Kindes entwickelt sich weiter. Alles hat seine Zeit.
- Führen Sie sich vor Augen, dass es noch ganz andere Konflikte mit Nachbarn geben könnte: Gerüche, Lärm in der Nacht, falsch parkierte Kinderwagen oder Rollatoren. Auch Hauseigentümer zanken - etwa um Bäume, die zu viel oder zu wenig Schatten werfen. In Nachbarschaft zu leben bedeutet, nicht alleine zu sein. Wie wäre es mit einem grossen Hauskonzert, bei dem mehrere Familien und Personen mitwirken?